„Gamification“ in der Grundschule

Ich erinnere mich noch gut an eine Veranstaltung während meines Studiums, in der wir „Spiele“ für den Deutschunterricht selber entwickeln sollten. Die meisten entwarfen eine abgewandelte Form eines Würfelspiels mit Fragen und Antworten zu Lerninhalten (Trivial Pursuit war damals ganz groß in Mode und so konnte man schließlich gut abfragen).

1995 wurde in meinem Umfeld hauptsächlich analog gespielt, wir trafen uns zu Spieleabenden mit „Tabu“ oder in der Cafeteria der Uni zu „Abalone“ oder Schach.

Ich gestehe, nachdem ich die digitale Spielewelten betreten hatte, nahm mein Interesse an analogen Spielen zunächst rapide ab. Viele digitale Spiele bringen ein so ausgeklügeltes Belohnungssystem mit sich, dem man sich nur schwer entziehen kann. Erst als meine Kinder zur Welt kamen, setzte ich mich wieder mit Monopoly und Co. auseinander. „UNO“ ist auch heute in unserer Familie ein Dauerbrenner, ebenso wie „Bezzerwisser“ und „Activity“. Dabei geht es mir heute vorrangig um das Gemeinschaftsgefühl. Dank des technischen Fortschritts haben meine Söhne dieses Gefühl aber durchaus auch, wenn sie per Teamspeak und Webcam mit ihren Freunden zocken, angefangen mit Minecraft, später LOL. Eine Tatsache, an die ich mich erst gewöhnen musste und die teilweise dem Familienfrieden nicht gerade förderlich war („Mama, nur noch schnell diese Quest durchspielen, die anderen brauchen mich, sonst verlieren wir.“). Sich dem Sog eines (Rollen)spiels zu entziehen – was mir als Erwachsene zugegebenermaßen auch nicht immer gelang – ist eine große Herausforderung gerade für Kinder und Jugendliche und fordert die Unterstützung der Eltern (Absprachen können helfen). Game based learning wie Classcraft und Co. müssen dementsprechend vor ihrem Einsatz im Unterricht intensiv vorbereitet und begleitet werden, um zielführend zu sein. Ein tolles Beispiel für weiterführende Schulen hat @TeacherRogueOne auf dem Blog von Jan-Martin Klinge veröffentlicht.

Was macht ein Spiel aus, wenn es motivierend und lehrreich zugleich sein soll?
Ein Belohnungssystem ist wichtig, vor allem bei längerer Spieldauer. Storytelling sorgt dafür, dass eine Rahmenhandlung deutlich und das Spiel „eingebettet“ wird. Eine gute Optik bringt lustvolle Motivation. Gemeinsamkeit fördert nicht nur die Sozialkompetenz, sondern offeriert die Sicherheit einer Gruppe gerade für zurückhaltende Kinder. Dazu dann die Lerninhalte und Kompetenzen gemixt, fertig.

Hier eine kleine Auswahl der Möglichkeiten, digitale Gamification in die Grundschule zu bringen. Entsprechende Beispiele sind verlinkt.

Edubreakout „Willkommen im Sachunterricht“

Momentan erlebt der „Edubreakout“ einen großen Zulauf. Überall wird gerätselt, um in der Schule Schatzkisten zu öffnen. Ganze Communities beschäftigen sich mit dem Erstellen von Rätseln und ansprechenden Materialien, die mal mehr oder weniger sinnvoll im Unterricht durchgeführt werden können.
Je nachdem, wie man den Edubreakout einsetzt, kann er die Sozialkompetenz der Kinder fördern (z.B. bei neuer Klassenzusammensetzung), Lerninhalte überprüfen oder vertiefen (letzteres besonders, wenn man einfach mal die Kinder die Rätsel entwickeln lässt).
Der Inhalt der „Schatzkiste“ kann von Gummibärchen über Bleistifte bis hin zu einem themenbezogenen Versuch oder Experiment alles enthalten, was die Lehrkraft als sinnvoll erachtet. Ein Edubreakout kann sowohl komplett analog als auch komplett digital durchgeführt werden, abhängig von der Ausstattung und den Kompetenzen der Kinder. Je versierter die Kinder im Lösen der Rätsel desto komplizierter dürfen sie sein. Für Einsteiger lohnt es sich, mit bereits fertigem Material zu starten und sich dann an einen „eigenen“ zu setzen. In diesem Zusammenhang kann ich das gerade erschienene Buch von Verena Knoblauch empfehlen.

Geocaching in der „Molberger Dose“

Vielen dürfte diese Art von Schatzsuche bekannt vorkommen: Geocaching funktioniert auch über das Rätselprinzip, nutzt jedoch Geodaten, um den „Schatz“ bzw. das Logbuch zu heben. Auch hier gibt es Rätsel, die gelöst und teilweise decodiert werden müssen, um die korrekte Position des Logbuches in ein GPS-Gerät bzw in die Geocaching-App auf dem Handy eingeben zu können. Der Schatz heißt hier „Cache“ und kann auf unterschiedliche Art und Weise gefunden werden. Eine aufeinander aufbauende Rätselabfolge nennt man Multicache, ein einfacher Cache nennt sich „Tradi“, wenn vorab ein Rätsel gelöst werden muss, handelt es sich um einen „Mystery“. Man findet auf der verlinkten Seite eine ganze Menge Caches, die gefunden werden wollen. Für Anfänger sehr praktisch, wenn es nur um das reine Ausprobieren der Navigation geht. Auch ist der Belohnungsreiz hier sehr hoch. Geocaching bringt gerade für den Sachunterricht den Vorteil mit sich, dass die Kinder sich aktiv mit Geodaten beschäftigen und auch sehr leicht eigene Caches erstellen können. Ich habe bereits mehrfach Geocaching mit Schulklassen durchgeführt, entweder im Rahmen einer Klassenfahrt oder themenbezogen im Sachunterricht.

Der Wherigo ist eine erweiterte Form des Geocaching, bei der die entsprechenden Rätsel freigegeben werden, wenn man sich in einem festgelegten Bereich befindet. Leider ist das Programm, mit dem man die Wherigos kompilieren kann, absturzfreudig und nicht unbedingt selbsterklärend. Da kann man besser auf die nächste Möglichkeit ausweichen.

Actionbound „Einkaufen in der Winkelgasse“

Die nächste Möglichkeit der digitale „Schnitzeljagd“ ist Actionbound. Die Lehrkraft kann auf der Plattform einen „Bound“ erstellen und dann per QR-Code an die SchülerInnen freigeben. Die Schnitzeljagd mit Actionbound ist – anders als das Geocaching – nicht unbedingt ortsgebunden. Die Art der Rätsel variiert zwischen Multiple-Choice, Aufgaben, Quest oder direkten Fragen. Bounds können von den Kindern im Einzelplayermodus oder als Gruppe durchgespielt werden, je nach Einsatzart und verfügbarer Geräteanzahl. Einen Actionbound zu erstellen ist verhältnismäßig zeitaufwendig, bringt aber einen hohen Spaßfaktor mit sich. In NRW steht übrigens allen Lehrkräften die ähnliche Variante BIPARCOURS kostenlos zur Verfügung.

Internetrallye zum SID 2019

Komplett digital funktioniert auch die Internetrallye, die man aus verschiedenen browserbasierten Anwendungen für jede Altersgruppe zusammenstellen kann. Aufbauen kann man diese Rallye zum Beispiel über die schuleigene Homepage mit verschiedenen verlinkten Seiten oder über ein LMS. Über eine Internetrallye können sich die Kinder spielerisch mit den Bedienkompetenzen vertraut machen bzw. Recherche auf Kindersuchseiten üben.

Die hier vorgestellten Beispiele sind grundsätzlich datenschutzkonform, da der Zugriff für die Kinder ohne Login erfolgen kann. Sollte man eine Geocaching-App nutzen wollen, kommt man um einen Account nicht herum. Es reicht für die SchülerInnen aber auch, eine Kompass-App zu nutzen beziehungsweise ein GPS-Gerät (manche Medienzentren verleihen solche), wenn die Lehrkraft über den Account auf geocaching.com die Beschreibung und die Geodaten des Caches herunterlädt.


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